Das VLSP-Fachtreffen 2013 fand vom 19. bis 21. April im Waldschlösschen (Reinhausen bei Göttingen) unter dem Thema „Diversität denken“ statt. Im Rahmen des Fachtreffens wurde auch das 20jährige Bestehen des VLSP gefeiert. Außerdem tagte die Mitgliederversammlung im Rahmen des Fachtreffens.
Folgende Vorträge und Workshops wurden angeboten (zu einigen Workshops sind Unterlagen im Mitgliederbereich verfügbar):
Vortrag: „Die Tränen der Transidentität - eine Erzählung über unerhörte Trans*Leben im Wandel der Zeit“
Annette Güldenring, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
In meiner Erzählung möchte ich mit Ihnen den Spuren transidenter Menschen über die letzten 30 Jahre folgen. Wir blicken in die ehemals verschlossenen Lebensräume, in denen Trans*Menschen einer zweigeschlechtlichen Denke zum Trotz die Vielfalt ihrer Geschlechtlichkeit lebendig gehalten und ausgeharrt haben bis die Zeit reif war, sich im Tageslicht zu zeigen und sich den Menschen zuzumuten. Ich möchte ihr unermüdliches Kämpfen gegen den herrschenden Geschlechtsdimorphismus benennen, der die vielfältige Natur des Geschlechtes lange nicht zu Wort kommen ließ. Nach dieser Einführung wende ich mich den Ordnungssystemen und Erklärungsmodellen naturwissenschaftlichen Denkens über Geschlecht im speziellen des Trans*Geschlechtlichen zu. Wir werden die diagnostischen und therapeutischen Reaktionen der Psychomedizin kennen lernen, die begonnen hat, Trans* als Abweichung vom „Normalen“ mit naturwissenschaftlichen Methoden auszumessen in einer vorherrschend rationalen und einer emotional distanzierten Haltung. In einer ausführlichen Präsentation werde ich über den aktuellen Stand der psychomedizinischen Versorgung und juristischen Regelung für Menschen mit „non-konformen geschlechtlichen Identitäten“ berichten. Im dritten Teil möchte ich mit Ihnen ins Gespräch kommen. Ich möchte Sie einladen, gemeinsam über „Transsexualismuskonzepte“ zu reflektieren, um dann über den Tellerrand theoretischer Konstrukte hinauszublicken dahin, wo Trans* lebt und für alle spürbar und hörbar ist.
Workshop 1: „Vorstellung der bisher entwickelten Leitlinien und des weiteren Entwicklungsprozesses“
organisiert von der AG Leitlinien
Seit zwei Jahren arbeitet im VLSP eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Leitlinien zum Umgang mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Klient_innen in der Psychotherapie. Diese Leitlinien sollen Psychotherapeut_innen dabei helfen, ihre eigene Haltung zum Thema zu reflektieren. Sie sollen die Psychotherapeutinnen/ Psychotherapeuten dazu anhalten, sich Wissen über die Lebenswirklichkeit von homo- und bisexuellen Menschen anzueignen, spezifisch und kulturkompetent auf die Belastungen und Ressourcen ihrer KlientInnen zu reagieren, sowie der Gefahr zu begegnen, eigene Werte und Normen zum Maßstab der Therapie mit Lesben, Bisexuellen und Schwulen zu machen. Erstrebenswert wäre zudem, entsprechende Lerninhalte bereits in der theoretischen Ausbildung von Psychotherapeut_innen zu verankern. Die aktuelle Leitlinienversion orientiert sich an den entsprechenden Leitlinien der APA, und wurde bisher unter Einbezug zahlreicher Expert_innen diskutiert und adaptiert. In dem Workshop wollen wir den aktuellen Stand der Leitlinienentwicklung vorstellen und mit Euch inhaltlich und in Bezug auf weitere Schritte im Leitlinienentwicklungsprozess diskutieren.
Workshop 2:, "Therapeutische Arbeit mit transgeschlechtlichen Menschen – Hemmnisse, Haltungen, Herausforderungen oder: Welches Kamel muss eigentlich durch welches Nadelöhr?“
Mari Günther, systemische Therapie und Beratung (SG),
In einem ersten Teil werden wir eintauchen in Trans*- und queere Welten, das eigene Lebensweltwissen erweitern, dabei den rechtlichen und (psycho)medizinischen Dschungel durchstreifen, einem Psycholemma und dem therapeutischen Kontext begegnen. In einem nächsten Schritt werden wir anhand einer Übung heraus bekommen, welche Fragen und wie sie gestellt werden können – und wie es sich anfühlt, diese zu beantworten. Im Anschluss geht es um mögliche therapeutische Haltungen und praktische Ansätze – den Umgang mit Fremdaufträgen, Zweifeln, Übertragungen; das rahmende Geschehen, den Umgang mit Defizitmodellen und Schwellenkonstruktionen – mit dem Ziel, Anregung für eine gelingende Identitätsausgestaltung zu geben. Nun ist noch ein kürzerer Ausflug zu paartherapeutischen Fragen möglich, hier z.B. die Begleitung eines Coming-outs in der Beziehung, die Transistion der Sexualität oder Kinderwunsch- und Elternrollenfragen. Es wird Gelegenheiten zur Reflexion geben und für Fragen aus der eigenen Praxis.
Workshop 3: LGBT*-Diversity: nur „trendy“ oder auch „sustainable“?!
Dipl.-Psych. Dominic Frohn, Berater | Coach | Mediator | Trainer, Experte für LGBT*-Diversity,
Lehrbeauftragter an der Hochschule Fresenius
Seit ca. 10 Jahren gewinnt Diversity Management in deutschen Wirtschaftsunternehmen und zuneh-mend auch in öffentlichen Verwaltungen sukzessive mehr an Bedeutung. Historisch betrachtet jünger und bezogen auf das Engagement zaghafter ist die Auseinandersetzung mit der Kerndimension „Sexuelle Identität“ im Rahmen der Diversity-Aktivitäten. Seit der Veröffentlichung seiner Studie „Out im Office?!“ im Jahr 2007 verfolgt Dominic Frohn kontinuierlich die Entwicklung(en) im genannten Themenkomplex, der aktuell unter dem Begriff „LGBT*-Diversity“ eine immer breitere und zunehmend ernsthaftere Betrachtung erfährt. Im Workshop soll es – neben einem Exkurs in die Forschungslandschaft – darum gehen, einen ersten Überblick über die Entwicklung der LGBT*-Diversity-Aktivitäten in Wirtschaftsunternehmen, öffentlichen Verwaltungen und Verbänden in Deutschland zu erhalten. Daneben werden beispielhaft diverse Formate der Bearbeitung des Themas LGBT*-Diversity im Arbeitskontext vorgestellt. Abschließend wird es den Raum geben, Ideen für die (Weiter-)Entwicklung von LGBT*-Diversity-Aktivitäten zu diskutieren.
Workshop 4: „Sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung im Kontext der Menschenrechte“
Arn Sauer, M.A., TransInterQueer e.V.
Menschenrechte sind die Rechte die uns allein aufgrund der Tatsache zustehen, dass wir Menschen sind. Sie gelten für alle gleichermaßen ohne Unterschiede, so das menschenrechtliche Gleichheitsgebot. Auf dieser Grundlage setzen sich Lesben, Schwule, Bi, Trans* und Intersexuelle (LGBTI) weltweit erfolgreich seit vielen Jahren für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung ein. Der Vortrag will aufzeigen, wie die Forderungen von LGBTI sukzessive Eingang in den Menschenrechtsdiskurs gefunden haben und welche Herausforderungen nach wie vor bestehen. In diesem Kontext werden die Yogyakarta-Prinzipien als international bekanntes und anerkanntes Dokument zur Durchsetzung der Menschenrechte für LGBTI vorgestellt und auf ihre mögliche Praxisrelevanz hin diskutiert.
Workshop 5: Intervision
Dr. phil. Ulli Biechele
Unter uns gesprochen: in einem Rahmen, der uns Vertrautheit und Vertrauen bietet, haben wir die Möglichkeit, Aspekte unseres beruflichen Tuns miteinander zu teilen, die im meist heterozentrierten Berufsalltag zu kurz kommen und die vielleicht auch zu verletzlich dafür sind.
Workshop 6: „Trans*beratung – Erfahrungen mit einem affirmativen Ansatz“ & Bericht zu den Ergebnissen der Mitgliederbefragung und Ideen für die Verbandsweiterentwicklung
Dipl.-Psych. Erik Meyer
Trans*menschen, die rechtliche und/oder medizinische Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, müssen sich psychologischen Begutachtungen unterziehen, was von vielen Betroffenen als unangenehm und wenig hilfreich empfunden wird. Andererseits ist der Prozess einer Transition mit schwierigen Entscheidungsprozessen, unterschiedlichsten Problemlagen und psychischen Belastungen verbunden. Dabei kann eine professionelle Unterstützung hilfreich sein. Dies erfordert ein unabhängiges und an den individuellen Bedürfnissen orientiertes Beratungsangebot. Ein solches Angebot wird in Hamburg seit 2011 durch die Trans*beratung im Magnus-Hirschfeld-Centrum umgesetzt. Die Beratung erfolgt nach dem Systemischen Ansatz und basiert auf einem affirmativen Verständnis der Vielschichtigkeit von Trans*lebensweisen. Zur Optimierung der Beratungsqualität werden die Anliegen und das Nutzungsverhalten der Klientel analysiert. Daraus werden allgemeine Rückschlüsse über die Bedürfnisse von Trans*personen hin-sichtlich psychologischer Beratung abgeleitet und zur Diskussion gestellt.
VLSP-Vorstand
20 Jahre VLSP - und wie soll es weiter gehen? In welche Richtung soll sich der Verband aus der Sicht der Mitglieder entwickeln, was sollen die Schwerpunkte der nächsten Jahre werden? Um dies und noch viel mehr herauszufinden, haben wir im August 2012 eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Befragung wurden vorgestellt und in dem Workshop diskutiert. Die Diskussionen in diesem Workshop gehen in den Abschlussbericht zur Mitgliederbefragung ein, den wir dem neuen Vorstand mit auf dem Weg in die Verbandszukunft geben möchten.
Letzte Aktualisierung: 21.01.2024