Psychotherapeutische und beratende Arbeit mit Trans*Menschen

Erfahrung, Haltung, Hoffnung

Autorin: Mari Günther

Zusammenfassung

In diesem Artikel möchte ich aus der Praxis meiner beraterischen und therapeutischen Arbeit berichten, in der Menschen mit Fragen zu ihrer geschlechtlichen Identität im Mittelpunkt stehen. Mir ist es dabei wichtig, Ansätze zu zeigen, wie man gut und respektvoll mit Trans*Menschen und therapeutisch zu Fragen der geschlechtlichen Identität arbeiten kann und wie eine hilfreiche Haltung gegenüber Trans*Personen entwickelt und gestaltet werden kann.

Mein Erfahrungshorizont setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen. Auf der einen Ebene habe ich mit einer Kollegin zusammen über sechs Jahre lang eine Selbsthilfegruppe für Trans*Personen und ihre Angehörigen moderiert, parallel dazu ein Betreuungsprojekt in Berlin aufgebaut, in dem trans* und queer lebende Kinder, Jugendliche und Erwachsene über mehrere Jahre sozialpädagogisch betreut werden. Häufig geht es dabei um eine Phase geschlechtsangleichender Maßnahmen und die Wiedereingliederung in Schule, Ausbildung, Beruf sowie die Wiederausgliederung aus der Psychiatrie. Derzeit sind dort circa 20 Kolleg_innen für circa 70 Personen und Familien engagiert. Im Rahmen dieses Projektes konnte ich jährlich etwa 300 bis 350 Beratungsgespräche mit Trans*Personen und Angehörigen führen. Durch die derzeitige Leitung eines Inter* und Trans*Beratungszentrums kann diese Tätigkeit fortgesetzt werden. Eine intensive therapeutische Arbeit findet teilweise in diesem Rahmen und auch in eigener Praxis statt.

Auf einer anderen Ebene habe ich durch die Mitinitiierung eines Runden Tisches, eines interdisziplinären Qualitätszirkels, der Mitarbeit in verschiedenen Gremien und durch Fortbil- dungen mit vielen Menschen zu tun, die sich dem Thema Trans* annähern, ohne persönlich involviert zu sein. Auf der einen Seite höre ich also viele Lebensgeschichten vom Verzweifeln und Gelingen, auf der anderen Seite viel Skepsis und viel Verständnis. Häufig betrachte ich es als meine Aufgabe, zu übersetzen, in beide Richtungen. Eine wichtige Erfahrung dabei ist es, das Nicht-Trans*Personen ihren privilegierten machtvollen Standpunkt der Betrachtungen nur schwer in den Blick bekommen, Trans*Personen wiederum die Dynamik einer Selbstzuschreibung als „ausgegrenzt“ oder „Opfer“ unterschätzen. Mir hilft eine queere Haltung, um die Bedeutung von Schubladen und Abgrenzungen einzuschätzen und um die Machtfragen nicht aus dem Blick zu verlieren. Das gilt auch für die therapeutische Arbeit.

Schlüsselwörter: Transidentität, Psychotherapie, Beratung, therapeutische Beziehung, Transition

Quellenangabe

Günther, M. (2015). Psychotherapeutische und beratende Arbeit mit Trans*Menschen – Erfahrung, Haltung, Hoffnung. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 47, 113-124. doi: http://doi.org/10.17194/vlsp.2015.9 [Download]

Letzte Aktualisierung: 25.10.2020

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